Schlapphüte
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„Vorsicht, er guckt rüber! Geh in Deckung Mann, duck dich!“ Herr Holbrecht dreht das Walkie-Talkie leiser und steckt es in seinen Mantel. Er geht entspannt am Regal entlang, als suche er was Bestimmtes. Einkaufen geht er eigentlich woanders, hier bei LIDL muss er arbeiten. Als Sicherheitsmann. Er beobachtet andere. Aber keine Kunden, auch keine Mitarbeiter. Nein, Herr Holbrecht beobachtet andere Sicherheitsleute. Ob sie ihren Job richtig machen und fleißig neue Berichte über LIDL-Mitarbeiter verfassen und rechtzeitig an den Stern schicken. Der Drucktermin drängt. Morgen muss die neue Ausgabe raus mit dem ganzen Enthüllungszeugs über Stasi-LIDL und so.
Herr Holbrecht ist Profi und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Er kennt seine Pappenheimer. In seinem Mantel spricht immer noch das Gerät, genauer gesagt sein junger Kollege Herr Biekmann. Der ist zwar noch nicht so lange dabei, dafür hat er auch den leichteren Part. Er steht auf der gegenüber liegenden Straßenseite und beobachtet den Laden. Er soll Holbrecht nur mitteilen, wenn ein LIDL-Schnüffler keine LIDL-Mitarbeiter beschnüffelt, sondern Holbrecht zu enttarnen droht. Biekmann ist aufgeregt. Er übermittelt alles, was er sieht. Jeden kleinen Scheißdreck. Holbrecht stöhnt und stellt genervt das Walkie-Walkie ab. Dann sieht er endlich, wonach er gesucht hat: einen Sicherheitsmann, der Mist baut. Er sieht noch jung aus und irgendwie wie Biekmann.
Die Zielperson läuft zwar nach deutscher Detektei-Verordnung im langen Trenchcoat rum, diktiert aber nur Blödsinn in sein kleines Aufnahmegerät. Holbrecht hört nur Fetzen: „Freundeskreis… Drogensüchtige… Unterarm… Landliebe Fruchtquark… Pinkelpause“. Er hat genug gehört. Holbrecht zerrt den Detektiv in den Lagerraum und stellt ihn zur Rede: „Holbrecht, guten Tag. Kann ich bitte Ihr Diktiergerät haben?“ Der andere packt schnell das Diktiergerät weg und stammelt: „W-w-wer sind Sie denn?“ „Holbrecht. Sind sie taub?“ „N-n-nein.“ „Geben Sie mir sofort Ihr Diktiergerät.“ „Wieso?“ „Weil ich Holbrecht heiße, darum. Los, her damit!“ Holbrecht greift ihm in die Innentasche und hält es ihm vors Gesicht. Er spielt es ab.
Beide hören, wie der Detektiv penibel jeden Scheißdreck aufzählt, den er gesehen hat. Holbrecht stöhnt leise, dann hält er das Band an und schreit: „Was soll der Stern damit anfangen? Können Sie mir das erklären?“ „Äh, wieso Stern? Das ist doch für die Personaltypen von LIDL.“ Holbrecht reißt die Augen auf und wird noch ein ganz klein wenig lauter: „Für Sie vielleicht. Aber was Sie abliefern geht nicht zu LIDL. Das geht direkt nach Hamburg zum Stern. Und wir sorgen dafür, dass er heiße Stories bekommt. Nicht so nen Pipi-Scheiß von wegen Pinkelpausen. Wer will das lesen, Sie vielleicht?“ „N-n-nein, natürlich nicht. Aber wer ist denn eigentlich Ihr Auftraggeber?“ „Der Stern. Wer denn sonst?“ „Achso, ja.“ Holbrecht holt tief Luft und baut sich vor dem Sicherheitsmann auf: „Also, Herr, äh“ „Martin!“ „Ja, also Herr Martin, wir haben Anweisungen, Abweichler eindringlich darauf hinzuweisen, dass der Stern Sensationen braucht. Enthüllungen. Irgendwas, was die Auflage hoch treibt. Haben wir uns verstanden?“ „Ja, ich, äh, denke schon.“ „Ab sofort gucken Sie besser zweimal hin, bevor Sie in Ihr kleines Gerät reinflüstern. Wir haben Sie im Auge, Martin. Und dieses Gespräch hat nie stattgefunden.“ Herr Martin steht da und guckt Holbrecht an. Holbrecht sagt nichts und geht dann hastig zur Tür raus, er muss dringend pinkeln.
(Und falls jemand fragt: Ist alles nur erfunden. Also das meiste.)
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